19
Aug
2021

Der Duisburger

ich hatte mal einen gekannt
sein vater war rechtsanwalt
er schrieb liebesgedichte
er schwärmte für die frau vom rot
der rot war kommunist
naturgemäß sagte mein onkel
aber darum ging es nicht
es ging um den herr aus duisburg
viele meinten
er sei ein formwandler und
was sollte er sonst sein
er kam aus duisburg
in duisburg lernte ich eva kennen
sie hatte eine warmherzige art
als wir einander sahen
hatten wir uns bereits getrennt
jeder auf seine art, hatte sie einmal gesagt und ich
ich hatte geschwiegen
man muss schweigen wenn man dasselbe fühlte
ich lag im bett wie im jenseits
sie sagte
es sind seltsame zeiten
die leute winken einander zu
sie halten abstand
sie denken
wenn sie abstand halten kann ihnen keiner
das gehirn aussaugen
nur in duisburg ist man weiter
in duisburg trägt jeder eine maske
selbst der eigene schatten rückt weiter von einem
die gehirnzellen werden blass
das ist das normale sagte die dame aus sarajevo
ja, sagte sie
ich komme aus sarajevo und ich
schlafe
nur wenn ich schlafe
kann ich etwas über duisburg sagen

die junge studentin paula

die junge studentin paula fliegt
noch ein wenig durch diese nacht
sie spürt kein verlangen
sie braucht keinen trost
nicht einmal die umarmung eines alten sozialisten hat sie nötig
ihr winken ist eine ganz eigene sprache
sie betrachtet diese stadt wie man an einem bestimmten morgen
den versehentlichen kauf eines dritten stuhls betrachtet
paula möchte mit den gesten schlafen
sie braucht einen korb voller spuren
damit
wann immer sie hineingreift
genau weiß
wo es langgeht

einsame lok

eine einsame lok fährt hin und weg
sie macht lärm
was treibt sie an
an ihr hängt nichts
keine waggons mit socken
die wir alle so dringend nötig haben
niemand legt sich auf die zunge der lok
niemand will ihr geheimnis ertragen
überall kann die welt sein
das ist es was sie ruft und
ich denke
bin nur ein kümmerlicher rest

christine, ja

ich esse heute nur ein brötchen mit fleischsalat
was bleibt mir übrig
ich hab das brötchen mit dem fleischsalat aus dem kasten genommen
ich wusste nicht dass es fleischsalat war
ich hoffte auf etwas anderes
aber es war ein brötchen mit fleischsalat
draußen wurde an den wänden geschrieben
dichtkunst, rief ich
damit es auch die abwesenden hörten
damit es christine hörte und es
ins englische übersetzte
christine aus dem fenster
sie sieht etwas dass du nichts siehst
im kästchen sind nur noch wenig brötchen
ich werde mir das wenige einteilen müssen
besser wäre es gewesen
ich hätte mir das viele besser eingeteilt
christine am ufer
ich sage ihr
hunde bellen wie wir von farben reden
spazierstöcke schlafen
ich hasse fleischsalat
gestern aß ich eine frikadelle
ununterbrochen dachte ich daran
wie sie die zeit abschnitt
während ich sie berührte und von jetzt
bis eben hat die zukunft einen schweren lauf genommen
ich werde nicht nachsehen was noch in dem kästchen ist
eines tages werde ich dort nichts mehr finden
nackt war sie
nackt wie das gedicht dass die angezogenen schreiben damit
es um sie nicht so finster ist

staufenberg

so oft habe ich in staufenberg gesungen
selbst wenn ich nicht in staufenberg
singen wollte
sang ich doch immer in staufenberg

staufenberg sagte ich
naturgemäß
nicht rom
nicht in der nähe
der französischen grenze
immer staufenberg

trete ich irgendwo auf
singe ich zum beispiel
die weise von gyrön
singe ich sie in staufenberg

ich kann sonst wo singen
man will ja
man veranstaltet
aber schließlich immerzu nur
staufenberg

dabei ist mir staufenberg verhasst
höre ich
landkreis giessen
denke ich
wie geschmacklos
wie grotesk und doch
singe ich immer nur dort
immer nur in staufenberg

ich habe einladungen nach liverpool
nach breslau
ich wollte schon immer gerne
in breslau singen

aber dann
wieder
staufenberg
staufenberg
sage ich
staufenberg naturgemäß
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