6
Okt
2021

der tag an dem borges seinen regenschirm vergrub

ich dachte oft an die jahre zurück an
die ich so selten dachte
ich musste lachen
weil ich manchmal hin und herging ohne zu erkennen warum
für mich konnte alles neu sein
vorallem das alte
das alte war immer jung sagten die
die nie etwas sagten und auch das sagten sie nicht
nein sie sagten nie etwas
obwohl sie sprechen konnten
sie konnten sehr deutlich sprechen und manchmal
wenn sie nicht zu müde waren hörten sie überhaupt nicht
mehr auf damit
als jugendlicher war ich oft unterwegs
manchmal ging ich den rauchern hinterher
bis mein unkontrollierbarer blick
zu der abwesenden leuchtete
sie ging wie ein engel
das war mal ein satz, aber ich konnte nichts gegen ihn tun..
sie sammelte unterschriften für irgendeine dumme sache
die unbedingt weg musste oder wenigstens dass man sie
abschaltete
ganz lautlos ging sie
ihre haare zitterten
in ihren augen sah ich borges
borges war ein dichter
er hatte mal einen job in der staatsbibliothek
er arbeitete mit einem zusammen der genauso blind war wie er und
obwohl die blind waren konnten sie alle bücher zusammenfassen und
darüber sprechen
borges schrieb verse
gedichte
er schrieb sie mitten in die stillsten orte
wenn er schwieg
schwiegen alle verse
alle schritte
niemand gähnte
alles blieb spurlos auf seinem platz
sie setzte sich in ein cafe
ich saß dort auch
borges war hier, sagte sie zu mir
es hatte in argentinien geregnet und er
hatte sich nach gießen geschrieben
er saß in diesem cafe und schrieb etwas
dann nahm er das geschriebene und warf es in die luft
es war aufregend in die luft zu schauen und zu wissen dass dort ein vers war
und was war mit dem regenschirm, fragte ich

Elke erzählt

er wohnte dreissig stockwerke unter mir
er war alt
er sagte oft
ich hätte studieren können
ich hätte es weitgebracht
aber ich hab die schule angesteckt
das war ein fehler
er sagte
ich war ein grober junge, der keine ahnung von zärtlichkeit hatte
er trug eine dienstmütze
er gähnte
manchmal sagte er, ich komme gerade vom dienst
ich ließ die türe manchmal offen
nachdem ich von ihm gegangen bin
ich stellte mir vor
wie zwei typen ihn fertig machten
später bereute ich diesen gedanken und
ich ging wieder zu ihm
ich fragte ihn
warum er die schule angesteckt habe
er sagte
ich war verliebt in die franzi
die franzi schwärmte für die anarchisten
sie ging jeden tag in die besetzten häuser
sie blieb bis mitternacht da
manchmal
wenn es regnete
blieb sie drei tage hintereinander dort
ich mag die, sagte sie
und mich fragte ich mich, mag sie mich
auch?
und dann hast du die schule angesteckt
ja, sagte er, ja ich weiß ich hätte
es nicht tun sollen
aber ich wartete bis alle weg waren und
als alle weg waren
ging ich auch
ich habe sie nicht angesteckt
ich habe gelogen
die türe blieben offen
ich stellte mir zwei zornige hsvfans vor
die gedanklich in der ersten liga spielten
die mit kalten wasser badeten und bemerkten
dass bei ihrem nachbar noch licht war
darf man rein, fragten die und er nickte
sie ist weg, sagte er.
na ja ich stellte mir das vor
ich stellte mir alles nur vor
auch dass er mich in einem sehr
engen raum fragt
ob wir tanzen können und dann tanzen wir
er wie ein abwesender und ich wie eine
die morgen erst geboren wird

Hetze

geh mit dem alten sehnen zum fluss
tauch die worte die du vermissen möchtest ein

du liegst hinter der ecke
wie vergessen
liegst du da
sie reden über dich
sie wollen nicht wissen
wer du bist

du gehst durch die feinsilbrigen wege
du hörst deine schritte
du weißt nicht
ist das ein traum oder nur etwas
dass du nicht zu träumen wagst

du öffnest die hände wie einen briefumschlag
wenn du über gedichte redest
redest du so
als wärst du das gedicht

erinnerst dich
aus was es gemacht ist
erinner dich an den traum
an das schweigen der toten dichter

eine zeile von octavio paz
als wäre die wirklichkeit nur ein traum
es beginnt immer mit der erinnerung
egal ob du schweigst oder davonrennst

Inas Traum

ich weiß noch was mit ina war
ina war da
sie war einem nah wenn ina
ina war

nina legte ihre augen in inas gesicht
nina hatte viele augen
sie brannte darauf sie herzugeben

die sonderbaren sagten
ina sei sonderbar
sie sahen nina an
sie sahen nina an und
begannen zu träumen

sie versuchten den traum zu verstehen
was für ein fehler
sie rannten herum
suchten richtungen die nur existierten
wenn man wirklich dran glaubte
sie glaubten nicht dran
deshalb kamen sie nicht an
nur ina
mit ninas augen
die uns ihr gesicht schenkte
für einen moment

für eine moment war alles
wie immer
wir brannten darauf zu vergessen
so wie man drahtzäune vergisst
oder zeiten die man hinter sich gelassen hat
aber da war nichts zu machen
wir sahen ina und dachten
wir lachen in ihre augen
die bestimmen
in welche wir unsere tränen legen
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