wenn man die sechzig überschritten hat
denkt man
müsse nur noch gedichte schreiben
die sich der zukunft abwenden
nichts mehr mit dem herbeigesehnten mond
auf dem ein rad steht dass man vor jahren
wegen nichts liegengelassen hatte
die zukunft gehört der ferne, dachte der alberne kerl
im traum war er george clooney und alberte mit einer
jungen und sehr hübschen frau herum
beide saßen auf krummen stühlen die man in der nacht
meist auf verstohlen blickenden birken wiederfindet
aber es war nur ein traum
als ich erwachte war ich immer noch der george nur
der nachname wehte fort
flüchtete aus dem fenster
er wurde anderweitig gebraucht
in einem anderen traum
in einer anderen stadt
irgendwo dort stand eine handballerin und
fasste sich den ball und den entschluss und
warf ein tor
für die welt ganz unwichtig und für sie auch
Der Wasserhahn - 23. Feb, 23:12
du hast an suhrkamp geschrieben
weil sie dir sagten
du wärst ein neuer kafka oder
wenigstens so was ähnliches
einer wollte daraufhin gleich erklären
dass er gegen den einmarsch der roten armee
in prag war
er befürchtete repressalien
sein gesicht war kunstvoll vernetzt
er wollte zu allen halten zu den tschechen
den bosniern
zu den ukrainern und vorallem zu
den indianern
er bewegte sich langsam
weil es schneller nicht mehr ging
in der hose steckte sein digitales geschlechtsteil
er ging an annas grünshop vorbei
wo es unter der theke immer nach schnaps roch
er dachte sich
früher wäre ich rein aber ich hätte
nichts zu trinken bekommen
denn anna mag keine trinker
schon gar nicht unter der theke
früher, dachte er
hielten sie mich ständig
mit bequemen fragen auf
sie fragten
hast du ein neues gedicht geschrieben
sie applaudierten immer schon vorher
ich merkte es nicht
ich hielt mich für ein genie
für ein ratloses genie ohne vermerk in seinem
führungszeugnis
ein bekannter von mir war mal im knast
er traf dort einen mann
der früher mit ihm in die schulklasse ging
er war der erste für den die polizei vorfuhr
als sie seinen namen riefen meldete er sich sofort
es war das erstemal dass er sich mit
so einer schnelligkeit meldete
in seinem gesicht schimmerten bereits die bewährungsjahre
als er ihn traf fragte er ihn
hast du cordula mal wieder gesehen
der lachte nur und drehte sich um
komisch, dachte ich, dass mein bekannter im knast war
heute läuft er die stadt ab
ruft strassensperre
er trägt ein rotes zöpfchen und hört die backstreet boys
er isst gerne lange brote und trennt das obst vom gemüse
einfach nur
weil ihm danach ist
Der Wasserhahn - 23. Feb, 12:51
ende
es ist zu ende
du vergisst
die
die du
gehasst
hast
hast du die
wirklich
gehasst
das fragst du dich
du überlegst
steigst du in die socken
deines großvaters
möglich wärs
du schaust nach draußen
die anderen winken schon
jemand hat das wort stinkbombe gerufen
alle haben es verstanden
ein tankwart starrt in die leere
du möchtest ein letztes mal
mit petra tanzen
mit petra am see
weit draußen
dort wo einem höchstens
noch die rettungsschwimmer zu sehen
doch nein
petra ist nach heilbronn
sie verkauft knöpfe
bunte knöpfe die so gar nicht in die zeit passen
dir ist nach gospelgesang
wo ist jesus wenn man ihn braucht
eine müde taube schleppt sich von schornstein zu schornstein
Der Wasserhahn - 23. Feb, 12:10
dunkel ist das zimmer nur in dir
schliess die augen
öffne sie erst wenn du
das gedicht zu ende gelesen und
hinaus willst
hinaus zu den anderen
den verlorenen
die zitronen blühen
die anderen länder zwinkern dir heimlich zu
es ist
als müsse man gar nicht gradeaus gehen
es kommt dir vor
als wäre nähe viel wichtiger als abstand
finster ist die angst
die zehen kitzeln
die jahre wachsen zusammen
eine verkehrte welt wird nur richtig
wenn du sie öffnest
die augen
es ist zu ende
wie geht es dir
Der Wasserhahn - 23. Feb, 12:03
Der Schrecken hatte seinen Schrecken noch nicht verloren, wer barfuß war blieb es für einige Zeit.
Die Welt sagten die Ewiggestrigen, ist im Wandel, sie schossen auf zentrale Stellen und fanden das irgendwo gut.
Die Maske war das neue HIER, plötzlich tauchte sie auf und tauchte nie wieder ab, das ist ein wenig logisch, denn wenn man sich einmal daran gewöhnt hatte, wie reich man davon werden konnte, wollte man auf die monatlichen Umsätze nur schwer verzichten.
Forever reich, das war das Motto, im Übrigen, half sie Leben zu retten, hieß es, sie schaffte Solidarität unter den Bürgern, wärs glaubt, jeder glaubt, fast jeder, der wer es nicht glaubt ist Nazi, wollen sie gerne Nazi sein?
Nein danke, dann lieber Maskenpflicht und mit dem festen Blick in den nächsten Gehorsam, damit wir nicht leiden und es uns langweilig wird.
Die besseren Menschen zögern nicht, sich für bessere Menschen zu halten, der Rest muss es irgendwie aushalten, macht nichts, es kommen wieder bessere Zeiten.
Zunächst erwachte die letzte Generation, dachte an die Tassen im Tassenschrank und drehte sich noch einmal herum, sie suchten einen Körper mit dem sie Sex aber trotzdem genügend Abstand haben konnten.
Sie suchten den dunklen Wasserhahn in der Tiefe der Fakten.
Fakten waren alles für sie, ihr ein und alles, stiessen sie nicht auf Fakten, verfluchten sie das.
Verdammte Nazis, riefen sie und trotteten weiter.
Die letzte Generation ordnete ihre Hände, sie spuckten nur selten und wenn dann nur digital. Sie lagen in den Nächten, wenn die Sehnsucht wirklich groß sein könnte in ihren Betten und wechselten die Seite, sie taten so, als wären sie ein Anderer und sagten leise, schau mich an, so sehe ich ohne Maske aus.
Der Wasserhahn - 23. Feb, 04:16