1
Mrz
2022

Elke erzählt

ich bin so müde
ich bin so müde wie ich noch nie müde war
alles lässt nach denke ich
nur die müdigkeit nicht

panzer fahren um meinem kopf
ich will dass es aufhört
ich möchte dass sie aufhören zu klagen
es reicht nicht dass sie in meinem kopf fahren

sie müssen auch noch klagen

sie klagen meine müdigkeit ein
sie fragen mich
warum bist du nicht durstig
warum gehst du nicht raus
suchst dir einen gefährten
warum bleibst du nicht bei ihm
alles kann ewig sein wenn man es verlässt
aber um es zu verlassen muss man es erst finden

sie sagen
du findest niemanden weil du dich versteckst
kaum siehst du jemanden der mehr ist als nur ein augenblick
schon versteckst du dich hinter uns

die panzer schwärmen aus
sie sind so aufgeregt weil es bald wieder los geht
alles gerät außer fassung
die rädchen die sich drehen fühlen sich kompliziert an
und wir stehen da
wir reizbaren
kinder einer nacht

kinder von wachen tränen
kinder von eltern die nie erwachsen geworden sind
die uns immer auf die panzer zeigen liessen
die gehören nicht zu uns, sagten sie
blumenkinder
kinder von hausbesetzerInnen
kinder einer idee wie man leben kann ohne auf die knie zu gehen

zu spät
aufgeschossen
niedergebrannt
die kriege im kopf sind wie salven die man immer nur
in falsche richtungen abfeuern kann
morgen hat nichts mehr mit gestern zu tun
sie schliessen die fenster
wie alt das alles ist
diese nähe zum tod
dieses alte schweigen
wo kommt das her
der geruch des meeres macht mich staunen
jemand sagt
bleib doch
aber ich höre nicht auf worte
ich sortiere sie aus und verschwinde

27
Feb
2022

Das Ende

das ende ist der vogel
der etwas näher kommt
der in der luft nach atem sägt

das ende dass ist die angst
die man uns genommen hat
wir verstehen es
licht zu streuen und damit
so tun
als würde man farbe bekennen

wir sagen
ja zu der nacht
in der wir lange wach liegen
uns vorstellen
wir wären teil einer narbe die
niemals endet

so liegen wir in den betten unserer angst
wir hören was unsere nähe sagen möchte
wir benutzen worte
aber teilen tun wir sie nicht

das ist der fortschritt sagen sie und
zeichnen ein smiley in regenbogenfarben
während unten in der einfahrt ein schwuler
geschlagen wird
nicht mal von dreien die was dagegen haben
sondern von dreien die einfach nur mal bock drauf hatten

24
Feb
2022

der gute alte Krieg

der Krieg verging nicht
er zählte
er zählte viel zu gerne
die augen blind sah er trotzdem
sah was tot
was ruine war
er blieb
blieb in den städten
wuchs
wuchs zu einer dunklen stelle
zu seinem eigenen trost
vergingen die wunden der anderen nicht so schnell

schnell wankte der betrunkene soldat
jemand hatte ihn gerufen
jemand hatte gesehen wie gerufen wurde
seine mutter hatte ihn gerufen
er hatte die brotdose vergessen
die lag auf dem alten tisch
die lag in der alten nacht
die zerlegte den wind
das bißchen tag blieb übrig
was blieb ihm übrig

jemand der lange tot auf der strasse lag
weckte die zeit
er brannte nicht darauf zu vergessen
er dachte nur
es ist KRIEG und wo er ist
wachsen die sätze zu einem invalidenturm

wir sagen
wir sind gut
aber wir fragen nicht
warum wir das sein sollen

unsere atem verspätet sich
sie vergräbt was an toten noch da ist
es schütteln die damen und herren die köpfe
sie sind so bewegt
so ohnmächtig
sie verlangen vom KRIEG dass er aufhört
doch der lächelt
der lächelt wie sie
der lächelt genauso unschuldig wie sie

23
Feb
2022

Das ist so

wenn man die sechzig überschritten hat

denkt man

müsse nur noch gedichte schreiben

die sich der zukunft abwenden

nichts mehr mit dem herbeigesehnten mond

auf dem ein rad steht dass man vor jahren

wegen nichts liegengelassen hatte

die zukunft gehört der ferne, dachte der alberne kerl

im traum war er george clooney und alberte mit einer

jungen und sehr hübschen frau herum

beide saßen auf krummen stühlen die man in der nacht

meist auf verstohlen blickenden birken wiederfindet

aber es war nur ein traum

als ich erwachte war ich immer noch der george nur

der nachname wehte fort

flüchtete aus dem fenster

er wurde anderweitig gebraucht

in einem anderen traum

in einer anderen stadt

irgendwo dort stand eine handballerin und

fasste sich den ball und den entschluss und

warf ein tor

für die welt ganz unwichtig und für sie auch

Neues von der Suhrkampmöwe

du hast an suhrkamp geschrieben
weil sie dir sagten
du wärst ein neuer kafka oder
wenigstens so was ähnliches

einer wollte daraufhin gleich erklären
dass er gegen den einmarsch der roten armee
in prag war
er befürchtete repressalien
sein gesicht war kunstvoll vernetzt
er wollte zu allen halten zu den tschechen
den bosniern
zu den ukrainern und vorallem zu
den indianern

er bewegte sich langsam
weil es schneller nicht mehr ging
in der hose steckte sein digitales geschlechtsteil
er ging an annas grünshop vorbei
wo es unter der theke immer nach schnaps roch

er dachte sich
früher wäre ich rein aber ich hätte
nichts zu trinken bekommen
denn anna mag keine trinker
schon gar nicht unter der theke

früher, dachte er
hielten sie mich ständig
mit bequemen fragen auf
sie fragten
hast du ein neues gedicht geschrieben
sie applaudierten immer schon vorher
ich merkte es nicht
ich hielt mich für ein genie
für ein ratloses genie ohne vermerk in seinem
führungszeugnis

ein bekannter von mir war mal im knast
er traf dort einen mann
der früher mit ihm in die schulklasse ging

er war der erste für den die polizei vorfuhr
als sie seinen namen riefen meldete er sich sofort
es war das erstemal dass er sich mit
so einer schnelligkeit meldete

in seinem gesicht schimmerten bereits die bewährungsjahre
als er ihn traf fragte er ihn
hast du cordula mal wieder gesehen
der lachte nur und drehte sich um

komisch, dachte ich, dass mein bekannter im knast war
heute läuft er die stadt ab
ruft strassensperre
er trägt ein rotes zöpfchen und hört die backstreet boys
er isst gerne lange brote und trennt das obst vom gemüse
einfach nur
weil ihm danach ist

die letzte generation

ende
es ist zu ende

du vergisst
die
die du
gehasst
hast

hast du die
wirklich
gehasst
das fragst du dich

du überlegst
steigst du in die socken
deines großvaters
möglich wärs

du schaust nach draußen
die anderen winken schon
jemand hat das wort stinkbombe gerufen
alle haben es verstanden

ein tankwart starrt in die leere
du möchtest ein letztes mal
mit petra tanzen
mit petra am see
weit draußen
dort wo einem höchstens
noch die rettungsschwimmer zu sehen

doch nein
petra ist nach heilbronn
sie verkauft knöpfe
bunte knöpfe die so gar nicht in die zeit passen

dir ist nach gospelgesang
wo ist jesus wenn man ihn braucht
eine müde taube schleppt sich von schornstein zu schornstein

Die letzte Generation

dunkel ist das zimmer nur in dir
schliess die augen
öffne sie erst wenn du
das gedicht zu ende gelesen und
hinaus willst

hinaus zu den anderen
den verlorenen
die zitronen blühen
die anderen länder zwinkern dir heimlich zu

es ist
als müsse man gar nicht gradeaus gehen
es kommt dir vor
als wäre nähe viel wichtiger als abstand

finster ist die angst
die zehen kitzeln
die jahre wachsen zusammen

eine verkehrte welt wird nur richtig
wenn du sie öffnest
die augen
es ist zu ende
wie geht es dir

die letzte Generation

Der Schrecken hatte seinen Schrecken noch nicht verloren, wer barfuß war blieb es für einige Zeit.
Die Welt sagten die Ewiggestrigen, ist im Wandel, sie schossen auf zentrale Stellen und fanden das irgendwo gut.
Die Maske war das neue HIER, plötzlich tauchte sie auf und tauchte nie wieder ab, das ist ein wenig logisch, denn wenn man sich einmal daran gewöhnt hatte, wie reich man davon werden konnte, wollte man auf die monatlichen Umsätze nur schwer verzichten.
Forever reich, das war das Motto, im Übrigen, half sie Leben zu retten, hieß es, sie schaffte Solidarität unter den Bürgern, wärs glaubt, jeder glaubt, fast jeder, der wer es nicht glaubt ist Nazi, wollen sie gerne Nazi sein?
Nein danke, dann lieber Maskenpflicht und mit dem festen Blick in den nächsten Gehorsam, damit wir nicht leiden und es uns langweilig wird.
Die besseren Menschen zögern nicht, sich für bessere Menschen zu halten, der Rest muss es irgendwie aushalten, macht nichts, es kommen wieder bessere Zeiten.
Zunächst erwachte die letzte Generation, dachte an die Tassen im Tassenschrank und drehte sich noch einmal herum, sie suchten einen Körper mit dem sie Sex aber trotzdem genügend Abstand haben konnten.
Sie suchten den dunklen Wasserhahn in der Tiefe der Fakten.
Fakten waren alles für sie, ihr ein und alles, stiessen sie nicht auf Fakten, verfluchten sie das.
Verdammte Nazis, riefen sie und trotteten weiter.
Die letzte Generation ordnete ihre Hände, sie spuckten nur selten und wenn dann nur digital. Sie lagen in den Nächten, wenn die Sehnsucht wirklich groß sein könnte in ihren Betten und wechselten die Seite, sie taten so, als wären sie ein Anderer und sagten leise, schau mich an, so sehe ich ohne Maske aus.

22
Feb
2022

Vor dem Grab der Lebenden

noch klingt es
als klebten euch
die weisheitszähne
wie launige flaschenhälse
im munde
das gebiss drängt noch nicht auf abwesenheit
ihr seid noch jung
fröhlich und guterzogen
ihr seid die kinder von schmerzlosen
ihr raucht kerzenwachs
schreibt auf goldenen papier
anarchie ist machbar herr nachbar
ihr sagt
ich werde anders als mein optikervater
der tanz der jugend
lange vorbei
wir gehen durch heidelberg spazieren
wir halten händchen
das ist etwas festes
dass kann uns keiner mehr nehmen
nicht einmal du

Du

du hast nen hut aus den fünfzigern an
damals trug man die krawatten noch
in der richtung der väter
ihre väter banden sie
die mutter kicherte
einmal im jahr war sie besoffen
sie träumte dann
das herbstband lege jemand um sie
sie sei nackt und es wäre die landschaft in die sie sich legte
ach
dachtest du
du hast also einen hut auf und machst dich auf den weg zum narrenhaus
du willst buntstifte verkaufen die schwarz malen
du suchst nach erklärungen für diesen text
du bist diesem text nicht ähnlich und trotzdem sieht er so aus wie du

dreh dich nicht um

wenn du von einer beerdigung kommst
dreh nicht um
lass die toten schweigend zurück
geh in deinen eigenen tanz
rede wenn du zuhause bist
über die erste nacht
die du unter deinem versteck
gelitten
zuhause verbracht hast
zuhause war da noch ein begriff
den du spüren
ja berühren konntest
geh zur nächsten strophe
ohne dass
du ja sagst
sag niemals ja
wenn du von einer hochzeit kommst
selbst wenn du der
bräutigam bist
denn wenn du ja sagst
geht sie mit dem anderen weg
mit dem pfaffen der euch so
ähnlich war
geh in die zukunft
zeig der nacht dass du brot backen kannst
zieh leine wenn es an der zeit ist
aber sag nie
ich gehe, zu deiner liebsten

Es war einmal

ein kluger mann
der war so klug
kaum zum aushalten
vergessen wir ihn

dieser mann traf eine frau
die frau trug einen abendanzug in den händen
ihr waren die hände gebunden
sie sagte das
in wirklichkeit war sie einfach betrunken

sie kam von ella
bei ella war immer was los
das dichte meer im kreuz
der wandel der gesichter
der nebel des vergangenen
ein boot
ein boot könnte uns retten

der mann lebte im gedanken mit
dieser frau in einer der einbahnstrassen
hinter ihnen erwachen die verkäuferinnen
der duft von frischen kaffee lässt sie an die liebe denken

wir kaufen uns einen hund, sagt sie in seiner fantasie
die wirklichkeit existiert für ihn nicht
genauso wie der schatten meint alleine er sei seiner gewiss

beruhigen wir uns
wir haben uns geirrt
die geschichte ging ganz anders
sie steht bei gabriel garcia marquez
schaut sich euch an und grüßt mir
die nächste
in einem langen lodenmantel

21
Feb
2022

Die Liebe

wie oft ich im traum den ranzen von der gudrun getragen habe
wie oft ich sie gefragt habe
weisst du was und sie stand vor mir
ein glückspilz wer ihr die hand halten durfte
ich durfte nicht
deshalb zog ich nach wien
kaufte mir jeden donnerstag die bravo und
träumte davon nach ungarn zu reisen und
dort zu bleiben
was ich dort wollte?
wunden lecken
wie oft sah ich sie im traum zwischen den strassenvierteln rennen
oft mit einem maschinengewehr in der hand
und wenn sie einmal in die luft feuerte
bildete ich mir ein
jetzt schiesst sie auf mich..
alles war im wandel
das war galant ausgedrückt
der schaum der nacht überrennt uns
wir setzen uns raus
tragen uns in den himmel
vergessen sind die tage des verzehrens
du hast das alles einmal vergessen
immer dann gudrun
wenn du abgedrückt hast
immer dann
wenn du vergessen hast
wie ich vor dir stand und dir
so gerne gesagt hätte
wie lieb er dich hat
der ernst
der neben dir saß
der in der gewerkschaft aktiv war und
der ein sparbuch hatte
mit fünf mark drauf

Nichts

nichts
nur pistolen
die dich
ansehen
nur das seltsame gefühl

nur ein gedankenstrich
ein goldener schuss
ein weinerlicher satz
eine narbe zu viel

nichts was etwas kosten kann
nicht billig
nicht umsonst
nur etwas das vergisst
dass du vermisst

20
Feb
2022

Nachts

nachts
wenn die gemüsehändler
von den geschlechtsteilen
der anderen reden
nachts
sperren die sperrgesichter
die münder auf
liegen trockene leiber aufeinander
sagen dass ich liebe dich
nachts bellen die tränen
winkt die angst
es tragen die schilder die verbote
die vereinigungen vereinen sich
nachts schmieden die trinker
neue unerwartete pläne
ziehen davon
falten die hände und beten zum großen
biergott
dass er ihnen die brauerei wiedergebe

19
Feb
2022

Maskenbildnerin

zeiten
da waren wir
gestern
da lagen wir
in den gesprächen
unsere haare
flatterten
sie flatterten mit
den augen
mit den zähnen
sprachlos lagen wir
voneinander entfernt
wie tristan und isolde
wie adam und eva
wie hänsel und gretel
tapfer waren wir
wir sagten es laut
laut wie der vergessene ton eines brühwürfels bevor er in das heisse wasser flieht
nachts bellen wir die hunde an
essen kreide für den nächsten scherz
der uns mehr als nur den abgrund kosten könnte
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Der Trog des Tages

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Zuletzt aktualisiert: 5. Jul, 01:30

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