24
Nov
2021

denk dir nur

denk dir nur
denk dir nur
du bist ein teil eines liedes und
du weisst
knopflers mark wird gleich ein solo
hinlegen
und du denkst
ich vermassel es nicht
nein ich vermassel es nicht

ich nenne dich joe
obwohl du nanni heisst
hanni und nanni schauen
sich die bösen jungs mit der weißen weste
immer von weitem an
sie sehen in allen einen schwarzen fleck
sie sehen überall ein schwarzes schaf

du gehst durch den flur und es kommt dir
ganz natürlich vor dass du betrunken bist
du bist aber nicht betrunken
du hörst bloß die gitarre von mark knopfler

du denkst, warum nicht mal zur nachbarin gehen
ihr erzählen wie du als schüler alle hanutas aufgegessen hast
obwohl sie doch eine freude für eine andere sein sollten

du hattest früher mächtig angst vor mädchen
du dachtest immer
die mädchen sind alle wie die ensslin und
es gefiel dir
dass sie alle wie die ensslin waren
aber du hattest angst
angst sie könnte dich erschiessen
sie könnten dich einfach alle erschiessen
weil alle wie die ensslin waren

damals hast du das gedacht
heute denkst du
geh mal rüber zur nachbarin und
du gehst rüber und fragst sie
dies und jenes
wie heisst du eigentlich fragst du sie
gudrun sagt sie

Verbrechen und Strafe

schau mal
dort geht der student r
er ist durstig
er trägt keine schuhe
er ist so reich dass er keine schuhe tragen kann

r ist der student der immer zeit für eine tragödie hat
er geht freiwillig in die ausnüchterungszellen
aber unfreiwillig wieder raus

r ist verliebt
er ist in franka verliebt
er kennt franka aus der ausnüchterungszelle

aber franka ist nicht interessiert
einmal trifft sie sich mit einem und dann
nie mehr

es kommt selten vor
dass sie länger bleibt
sie sagt
wenn ich merk
dass mir alles zu ähnlich sieht
geh ich weg

r der student schaut sich um
er dreht und wendet sich
er hat das gefühl dass er gar nicht existiert

ich werde geschrieben, denkt er und
gleich ist schluss
er fragt franka
ob sie später noch zeit habe
sie kichert und sagt
später haben wir alle noch zeit

barfüssig sagt sie das
als wäre der text schon zu ende und
alle gestalten gingen barfuss weiter

sie betrachtet den mond
sie betrachtet auch den alten studenten paul

paul ruft sie manchmal an
obwohl er nicht mehr alle tassen im schrank an
lädt er sie zum geburtstag ein

sie kauft ihm eine platte von den dire straits

Tommy

tommy ist eine rockoper
tommy kann nicht sehen
er kann nicht sehen aber
er spielt flipper
er ist besser als elton john
beim flipper
er ist der könig der flipper
eines tages kommt der delphin flipper
auf die idee
könig aller flipper zu sein
dazu muss er flipper spielen
er fragt die rockgruppe who
ob er gegen tommy spielen kann
tommy ist der bessere flipper
besser als elton john
gegen flipper hat er keine chance
tommy war blind
nun kann er sehen
danke flipper ruft er
der schnattert davon
flipper ist unser bester freund
merkt euch das

22
Nov
2021

Liebe

Liebe ist die Waffe
mit denen wir unsere Feinde schlagen
wir lassen sie nicht herumliegen
nicht links
nicht rechts
schon gar nicht rechts (denn der Klang rechter Schritte ist für nichts da, als zu zerstören)
kleine Bändchen, die an andere Zeiten erinnern
reflektieren das
was ist aktuell
in einer Stadt namens Kassel verteilen sie Bänder
an Ungeimpfte
in Bosnien verteilten Rechte Bändchen an die
die man deportiert
die man quält
die man erschiesst
das macht man nicht in Kassel
aber man sortiert Menschen in Gut und Böse
In Bosnien ließen Tschetniks einen Zug stoppen
sie sortierten die Abteile nach Gut und Böse
sie schickten die Muslime zurück
sie erschossen sie nicht
aber vergruben etwas in das Gedächtnis
etwas dass man nicht tut
verliert seine Spur
verliert den Verstand

21
Nov
2021

Octavio und ich

am abend sagte er
hatte ich eine menge
leute getroffen
die alle nicht zu beneiden waren
denn sie kannten julia nicht

julia kennen ist wie etwas in den himmel schreien
etwas dass die toten dichter hören
die schweigend erkennen
da werden gedichte in die zimmer geschrieben
in die zimmer von ehemaligen slivovitztrinkern
in den zimmern neuer frischer tapeten
der geschmack der ähnlichkeiten
das vergessen der nichtmöglichen erinnerungen

am abend in den gedichten etwas gefunden
dass taub machte
taub für den rest
alles was ähnlichkeit hat
verkehrt nicht mit ihr
sie
die ich mir in einem schaumbad
vorstellen möchte
bei offenen fenster
ohne geräusche

ich weiss ich bin fertig
deshalb nennt sie mich auch
zitrone
ich bin geschält und ausgepresst
der rest den ich noch von mir erkennen kann
möchte ich mir lieber ersparen

ich sag dir was julia
ich habe früher lange mit octavio gesprochen
er sagte
wenn du so hingerissen bist
dann sag ihren namen
kurz bevor ein anderer einschläft

ich wartete ab
schlief ein und träumte
sie schriebe in einem notizblock
irgendwelche verwandten auf
verwandte sagt sie mir
sind das groteske
man fängt sie ein
ohne dass man es verlangt

was sind träume frage ich octavio
er wundert sich über die helligkeit die es für ihn
schon lange nicht mehr gibt
was denkst du, fragt er mich
was ich denke, sage ich, ich denke nicht
ich suche
ich suche einen grund mich fallen zu lassen und
ihren namen zu rufen

zu rufen ohne erkennbaren mund
ohne sprache
als fürchte man einen händedruck und sehne sich doch danach
als ginge es nur darum
zu berühren
das berühren mitzunehmen
mitzunehmen und nicht zu wissen
wohin
wohin mit der berührung wenn ich vor ihr stehe

Borges

manchmal macht man sich vor lauter glück sorgen
sorgen man könnte eine seite des dichters überlesen haben
deshalb trägt man eines seiner gedichte immer weg
man trägt es weit von sich weg
so weit bis man am ende einer strasse
an einem zaun gelangt
es duftet aus den geöffneten fenstern nach erbsensuppe
jemand schreit die lottokugeln an und ich denke
das alles ist borges
ein glück das nicht zu fassen ist

19
Nov
2021

Sigur Rós

nein, sagt er
alles ist mies
wir gehen unter
rauf und runter
wir gehen unter und
ich gäbe ihm recht und
sag aber denk dir nur
es gibt sie noch
die schönheit
es gibt sie noch die tränen
die vergessen machen
das alles hässliche zum
schönen gehört
nein, ruft er aus
es sind die

besser dran
die nicht mehr sind
die heimkommen und dort bleiben
die niemanden berühren und die niemand berührt
ja sage ich,
das sind die wahren könige aber sie haben es nie gespürt
wie man verloren gehen kann, ohne etwas zu verlieren

<>

Elke erzählt

manchmal will ich die frau sein
von der er immer träumt
die er mit auf seinem hof nimmt
das zimmer mit den rasseln öffnet
schau nur, hör ich ihn sagen,
hier pfeift der kleine raffael auf seinem kamm
und die rasseln, frage ich
aber ich weiß
ich lern ihn nicht kennen
er weiß es auch
das leben ist ein ponyhof
gestutzt und widersinnig
laufen wir zurück
aber wohin
in jener jämmerlichen kneipe
in der nur gesegnete reindürfen
reden wir ganz umsonst über alte radiosendungen
die immer noch durch den äther spuken
manchmal kann man sie hören
nachts
wenn der atem nicht mehr weiß wie still er sein kann und
wir
ohne furunkel unsere filterblase belauschen
den alten radiosendungen
dem wunschkonzert für gefangene
dem wunschkonzert für die fliegenfänger die
manchmal wenn sie nach hause kommen gefragt werden
und habt ihr gespielt
nein, klagen sie
nein, wir haben nicht gespielt
so sind wir
nur älter oder jünger
gebildeter oder streckenweise dumm
dümmer als wir sind nur die nächte
in denen wir träumen
man hat uns festgenommen weil wir
von berührungen redeten
von berührungen die heimkommen
gefragt werden
habt ihr gespielt
ja, sagen sie gelangweilt
ja, wir haben gespielt
und fragen sie, war es schön
wir zittern
wir wollen diese frage so gerne beantworten
aber immer erwachen wir
sehen uns an
wie reisende
wenn sie vergessen
wer sie sind
wie alte radiosendungen
die immer laufen
solange wir ihnen lauschen
so wie man der zeit lauschen kann
das linke ohr in den traum und das recht
daran erinnern
wie lange man warten muss
bis man endlich bleibt

18
Nov
2021

schlüssel

am morgen den schlüssel
durchsucht
nach kleingeld
du wolltest was trinken
einen schnaps
was war dagegen zu sagen
du dachtest
der rausch letztens war gut
aber dann war er verschwunden
du standest alleine da
nur noch ranzige butter und
ein gemüseauflauf den du sicher
nur noch betrunken vertragen kannst
irgendwo raus und klagen
freunde treffen und sie fragen
es ist sicher dass du nichts bekommst
der wind hat nichts mehr übriggelassen
der wind streicht über deine haut
was ist nur mit der wirklichkeit geschehen
am morgen den raum
durchsucht
nach einem schlüssel
nichts gewagt
nichts entfernt
nichts was näher kommt und dich belügen kann
ein tag mehr auf deiner haut
ein schneiden und brechen
den rest nennt man dann ewigkeit

17
Nov
2021

wer gibt uns das Recht im Recht zu sein

trage nicht so schwer
kleinholz bei dir
du musst schweres
tragen können
damit du dich
beschweren
etwas erkennen kannst

geh zu den mühen
geh zu dem gedanken den du noch nie hattest
ein brief für entschlossene wird gefangengenommen

jemand der schon lange nicht mehr
von deinem gewissen redete
fängt wieder an
an seiner nasenspitze kann man eine
federspitze sehen
mit der wird er dir später schreiben
ich habe es nicht so gemeint

alles ist anders
als alles andere
alles ist da um nicht zu existieren

die morgen sagen
früher
erzählen heute
von der zukunft

als hätten sich alle verspätet und kommen doch viel zu früh

neue welt

der schmerz hat sich
versammelt
er sitzt
in den letzten reihen
abstand hält er keinen ein

die schnelligkeit schweigt
sie ist rasend vor
wut
weil sie nicht darf
was sie kann

der letzte schacht wird geschlossen
die toten grubenarbeiter
fallen hinein
niemand applaudiert
alle schauen bewegt weg

die intensivstationen sind voll
die krankenschwestern pflegen
sich selten an den kopf zu fassen
sie denken an den himmel und
die jahre die davonbreschen

sie fühlen sich vergessen
von der nacht
vom tag
vom jenseits und vom leben

sie verschmelzen mit den grubenarbeitern
sie setzen sich neben sie und
wenn einer der beiden
einen anderen verlässt
legen sie sich schlafen und träumen
es ist november
und die geräusche hinter dem schweigen
hören endlich mal auf

wahrheit

es ist wahr du hast ein
vergiss es
in die schulbank geritzt
sahst hinaus zu den bäumen
die nicht grade wuchsen

hast gesehen dass es deine pflicht war
die blätter zu zählen und
hast bemerkt
der herbst kriegt den hals nicht voll

du hast durch den flaschenhals deiner neugier
das letzte getrunken
erinnere dich wie schnell du wieder nach hause geflüchtet bist
weil
du immer nur bis ans ende der welt kamst

hast die handballerinnen bewundert
wie sie sich nach dem training volllaufen liessen

es ist wahr dass niemand vergessen wird
dass du niemand bist
hat damit nichts zu tun

sprache

ob sie die letzte türe erreicht
bevor sie verschlungen
nach der nächsten
vergeblichen hoffnung
lauert
noch lächelt sie
aber schon hat das lächeln
lücken
lücken die man umkreisen kann
lücken durch die man landschaft sieht
die man vergisst
noch ehe man das schmale fenster öffnet

bittersüß

wahrscheinlich war es schon immer so
dachte der dichter in uniform
er hatte einen spitzer in der hand
den er ins zimmer tragen sollte
in diesem zimmer warteten die papiere auf einfälle
er grinste die papiere an
das war lächerlich
er sah aus dem fenster
er sollte hinausgehen und
sich beobachten wie er aus dem fenster sieht
ein bißchen kippen sollte ich es
dachte er
aber es nicht öffnen
nur wenn es nötig ist
er hört seinen eigenen schrei manchmal löffelweise im traum
er möchte dann nicht erwachen
kann man einen schrei zu ende träumen
wo beginnt der schmerz und wann öffnet man die hände und
gibt sie der frau in der intensivstation
sagt ihr
hier bitte, der traum
wahrscheinlich war es schon immer so
die einen tragen den rand in sich spazieren
werden zurecht gespült
ich bin nicht deine mutter hatte sie oft zu mir gesagt und
wurde immer schöner
ihr fahrrad versenkte die eigene kette
ich dachte
es ist besser wenn ich verschwinde und ihr nichts sage
es stand alles bereits fest
im traum rätselten alle fahrradketten der welt um die wahrheit
die wahrheit war klar und echt
konnte finster wie ein offenes fenster sein
wie ein schrei der stehenbleibt und dich ansieht und vorbeigeht
nicht an dir
sondern an dem rausch den du hinterlässt
wenn es endet

16
Nov
2021

der karl sagt

es geht nicht
es läuft alles auseinander
ich trinke bier
denke nach
er sagt
ich trinke mir
bier
ich denke nach
er windet sich
schaum vor dem mund
was ist vor dem hof los
monster kriegen sich nicht mehr ein
wollen in dein leben rein
es geht nicht denke ich
denkt er
er denkt
ich trinke bier
ich zucke zusammen
möchte mal wissen wer ich bin
wer das ist der solche fragen stellt
ich denke nach
er denkt nach
er weiß nichts mehr von einer erinnerung
er fällt zusammen
er sitzt herum
er denkt
ich denke
ich denke bier
ich denke staunen
ich denke
man muss brüllen
vor wut ganz sanftmütig werden

der sagt

der sagt
ich hab dich
angeschaut
dich anzuschauen
war
gut
ach dachte ich
du bist vielleicht
er schaute sie an
er dachte
ich schneide nichts durch
ich schaue sie an
er lachte
denn sie schnitt eine bitte in sein gesicht
was ist fragte er sich
was hast du
hast du etwa ein geschenk für mich
nein
dachte sie
die blumen die ich binde
sind für den blinden horst von drüben
manchmal lädt er mich ein
zu einer reise
die wir immer vergessen
wenn er erzählt
wie es war
damals
als alle blind waren wie er
wie fröhlich die augen herumkreisten
die überall hinkamen
für die es keine erinnerung gab
nur den himmel
der verkehrtherum an der decke lag und
die eintagsfliegen gekratzt hätte
wenn sie ihn je erreicht
je erreicht, dachte er und lachte
er lachte weil er an zahlen dachte
er hätte es gerne gehabt
mit ihr zu zählen
es durfte nur nicht zur gewohnheit werden
dachte er
es müsste wie die vorfreude sein
mit der man an ein märchen denkt
dieses lange dasitzen
das viel zu schnell endet
dieser erste ausgeschlossene satz
der damit endet
dass es einmal war und dann nie wieder

14
Nov
2021

Elke erzählt

ich erzähl nur noch geschichten von früher
im ernst
ich schaue mich nicht mehr um
deshalb sitze ich auch bei ihm
er winkt der bedienung zu
sie scheint ihm zu gefallen
warum sollte er sonst winken

ihr profil schaut nach einem offenen gespräch aus
wenn sie singt
singt sie nur für arme zärtliche jungs die am hafen stehen und
sich umarmen

gefällt es dir hier, fragt er
ich nicke
ja, sage ich mir gefällt es
aber es kommt mir alles so ironisch vor
als sitze eine am balkon
isst dunkle vergessene märchenprinzen
saugt an einem wattestäbchen und macht auch sonst
komische sachen

es ist
als hätte er ein bein verloren
ich frage ihn
ob er sich betrinken möchte
ich sagte
ich mag es wenn männer sich betrinken

etwas in ihm fällt auseinander
dabei könnte er doch sagen
denk dir nur
ich hab am bachmannpreis teilgenommen
ich habe prosa vorgelesem
prosa über das trinken

hielt sich ein kleines glas in der näh auf
griff er danach und pustete die notwendigen zweifel weg

was machst du beruflich fragte er nach dem dritten glas rum
ich setze mich fort, sagte ich
ich bin eine fortsetzerin
ich sagte
im ernst
ich bin auf bewährung draußen
es ist die höhe dass ich überhaupt dort sitzen muss

seine blicke wurden tiefer
er sah sich zum verwechseln ähnlich
was tust du, fragte er mich
ich misstraue dir
er lächelte
mit so einem lächeln kann man an den nachbartischen
nach aschenbechern suchen

die vertrösteten blicken uns zu
wie wir als letzte gehen
er sagte
ich würde dich gerne treffen
ich sah ihn an
das geht nicht
ich treffe mich nicht mit männern die sich ausklammern
wenn sie von sich reden

er redete und fing an zu schweigen
als er schwieg fragte ich ihn
er sagte
die angst
es ist die angst der telefongespräche
er flüsterte
es war alles im fluß
die gedanken in der nähe
brachten uns darauf
wer bist du, zu fragen und zu hoffen
dass sie niemand mitnimmt
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