nun schreib ich dieses gedicht
dass sich folgendes fragt
ist das alles noch da
die stücke von denen du geredet hast
in all den vierteln
sagtest du
verlässt der staub einen als letztes
vielleicht war es ein fiasko
dann war es eben eins
eines mit spiegelungen und
falschen monden
manchmal gehe ich los
und ich weiß
ich kann dich nicht treffen
du bist näher als jedes schweigen
näher als der tod
so viel vermissen
so viel dass ich mich frage
ist das alles noch da
die gespräche
die alten und die neuen ideen
vergessen vom wind
von all den taten die
jetzt beredet werden
das fenster steht offen und
du hörst doch nicht hinein
nein, ich vermisse den
kleinkram
deinen witz und
deine sorgen
ich vermisse die gespräche
die immer noch warten
dass eine geschichte zu ende
erzählt wird
wo fängt die trunkenheit an
wo der abschied
abschiede sind wie züge
sie kommen an und man
weiß
wenn sie gehen
hast du mindestens einen menschen verloren
Der Wasserhahn - 12. Nov, 01:36
er erwacht am morgen in der früh
greift zu seinem kleinen hakenkreuz
hört die alten trachtenlieder und
schläft wieder ein
wenn er schläft träumt er
wenn er träumt zielt er
auf sein geliebtesland
er zählt die zerbrochenen verbotsschilder
die fische am hafen kichern
der faschist isst ein brot und
will den durst drauflegen
aber der durst ertrinkt und
der nazi erwacht
wenn er erwacht greift er zu seinem
kleinen hakenkreuz
er schaut hinaus
sieht vier bosnierInnen vor der deutschen haltestelle stehen
partisanen ruft er
kommt her und streckt mich nieder
er schläft wieder ein und träumt
er wäre durch und durch ein
antifaschist
er steht sich selber gegenüber
wer bist du fragt er
wer bin ich fragt er
die augen bilden einen kreis
der faschist zieht bilanz
er erwacht und wie er erwacht
stehen die vier bosnerinnen vor ihm und lachen
Der Wasserhahn - 11. Nov, 21:27
putzeimer gehen baden
in ringe ringelwasser
trockenfeste trinkseile
die schufte bestellen pflaumenobstler
die schwindligen erkennen
den sinn in
vergessen das lange dünne
unsortierte gesprochene
geflochtene
so weit auseinander
blutsalben
herkunftsländer strophen
wohin gehen
dort wo das bellen steht
das gemeinsame
türen öffnet mit augen
die vergessen können
ohne zu verstehen
Der Wasserhahn - 11. Nov, 04:36
da tauchen schwarze wolken auf
das teewasser brennt
den ganzen abend löffelweise erwartungen
alles geht schief
alles klappt
darvidso brennt schnaps und tauscht ihn
gegen ein megaphon
in das megaphon schreit er
warum hab ich den schnaps verkauft
er weiss es nicht mehr
er ist durstig
im film wüde er seine knarre nehmen und
vergessen wer er ist
er stände ganz nah am fluss und
würde die tränen zählen die aus der knarre kullern
Der Wasserhahn - 10. Nov, 18:44
zuerst kam es ihm wichtig vor
dass er die kichererbsen
ernst nahm
jedesmal wenn er sie
in den mund nahm und
er nahm sie oft in den mund
musste er lachen
sein lachen klang wie flachbildschirme glänzen
wenn man sie einstaubt
er belog sich selber dass das in ordnung sei
aber er wusste es besser
er wusste es doch besser
wer bin ich nur, fragte er sich
er fragte es sich so schmerzhaft als presse er die frage aus
so ein gefühl hatte er von sich
es ist besser wenn ich herbert besuche
herbert schreibt gedichte gegen seine eigene existenz
er klopfte
was ist, fragte herbert
der immer zweifelte ob wirklich jemand an der türe
geklopft habe
ich bin es, sagte er
er hob die stimme
blickte zurück in zorn
dachte an die kichererbsen
die sicher litten unter seinem lachen
herbert öffnete
du bist es, was ist, willst du was essen
herbert lud ihn ein
er erzählte viel
auch dass ihm ein zettel abhanden gekommen war
dort war die nummer von karin
ob er sich an karin erinnerte fragte herbert
er nickte
er erinnerte sich an sie
sie aß mit gabel und gabel wie andere
mit messer und gabel essen
sie erzählte eine menge und alles klang so unterirdisch
sie war oft nach dem siebten bier müde
trank aber das achte und ging dann eilig zum bahnhof zurück
sie wohnte dort in einen der vielen unsichtbaren schlupflöcher
an sie zu denken war
als würde man nicht an sie denken
willst du senf zum würstchen, fragte herbert
zwei teller waren in der küche aufgestellt
leere in den händen
leere im blick
er holte den senf aus einer zitronenschale
hier, sagte er und dann fragte er
guckst du das spiel heute
er schüttelte den kopf
ich hab es gestern schon gesehen
für abwesende zeigen sie die spiele immer schon am vortag
hast du karin gesehen, fragte herbert
Der Wasserhahn - 9. Nov, 08:20
erst gestern spaziert
durch die gänge
so viele namen
so viele gesichter
streifen in den cafes
dunkle messer
scharf wie die augen
leise bänder
spinnen netze
fangen an sich zu vergessen
erinnern reden von den
alten
die gesänge tragen
als wäre es die schwere
die uns sieht
uns ansieht
als wäre es der tägliche pistolenschuss
der verbotene
der stets
vergräbt
an was er glaubt
das müde
das morgenlicht leuchtet
die alten narben
wir trocknen sie ein
verlangen nichts
nur wir
die nicht mehr lieben können
erfahren alles neu
Der Wasserhahn - 9. Nov, 00:32
zu viel gesoffen
zu viel erzählt
die offenen gespräche
geschlossen
von vergessenen
lieber nicht daran denken
was uns die zeilen versprechen
was versprechen sie uns schon
sie versprechen doch nichts
wir ernten
sehen leute an
bitten sie um nichts
wir schweigen
sanfte radspuren unserer tränen
wir suchen uns
wenn wir in die gespräche
anderer schauen
was geht ab
was bleibt dran
die finsternis erkennt
nichts als funkelheit
eine reise die nicht stattfindet
die alten worte
die neuen fassaden
was sprechen wir aus
wer jagt uns davon
Der Wasserhahn - 9. Nov, 00:20
dass er bus fuhr
die busfahrer kannte
ihnen
zigaretten besorgte
die windrichtung bestimmte
fahrkarten löste
vom meer zu reden begann
solange bis er zitterte
oder bergweise
stillstand
verstummte
den ausblick genoss
den alten ausblick
der netze auswirft
gelassen hinterherspringt
ja das war das salz
das salz der planeten
oder es roch nach matratzen
während er
von den gemachten betten redete
draußen
wo die marmeladengläser auf die richtigen tische warten
eine notwendige ordnung
die türen aufgeschlagen
müde seufzend
knarrend
bis pilze ihre richtung regeln
bis die darmbachers töchter endlich
umarmen und wir
die wir besessen vom schweigen
uns verfahren
stolpern
in die verweise der richtungsbeamte verweilen
toben
brotreste schlucken
trost darin suchen
trost der heimkommt
sich umsieht
sich liegen lässt
bzw
hinter das fenster sieht
dem baum der erkenntnis eine bitte abschlägt
blusen kauft
schornsteine erkennt und weitermacht
immer weitermacht
bis zum nächsten niedergang
Der Wasserhahn - 9. Nov, 00:07
vielleicht ist es so
dass man nichts vergessen kann
keine handlung
keine lippen die dich vermissen
im traum
im traum ist alles in bewegung
läuft alles verkehrtherum
da kommt erst die vernichtung und
dann die hoffnung
überall verschmiertes blut
vom jagen
vom gedichte auswendig können
vom hände falten
niemand versteht
niemand versteckt das verstehen weil man es nicht mehr findet
alles sehr bequem
die hände auseinander
die gespräche auseinander
die berührung
das meer
was wir vergessen ist an was wir uns erinnern
und an was erinnern wir uns
ein bitterböser morgen
eine flauschige bettdecke in der halbstarre
die wirklichkeit verkauft
die nacht
der vogel der die nacht immer anschaut
nichts anderes
immer nur eine
Der Wasserhahn - 8. Nov, 00:00
am bahnhof saß er
mit dem letzten fass bier im arm
ganz feste drückte er es gegen seine brust
er kam mir nicht betrunken
sondern eher leer
vor
er kam mir vor wie einer
der gerne mal etwas getrunken hätte und
diesen wunsch nur beim trinken erkannte
manchmal rief er etwas
es klang wie der name eines vogels oder
einer ameise von der er glaubte dass er sie gut kannte
er war ein demokrat
er glaubte gott sei auch einer
manchmal erzählte er mir seine träume
er träume er sei johanna von orleaon
ich sagte ihm
ich träume ständig ich sei goethe
ich sitze auf einem bügelbrett und
überlege
und ich ärgere mich auf die natürlichste weise
denn mir will einfach keine zeile einfallen
er betrachtet mich
eines tages
betrachtet er mich
ich weiß es
er sitzt jeden tag am bahnhof und wartete darauf
er trinkt aus dem fass
er trinkt geräuschlos
er scheint den himmel nicht zu mögen
denn er schaut kaum hin und wenn er doch einmal hinschaut
dann zornig
als hätte er ihm etwas genommen und
gäbe es nicht mehr her
Der Wasserhahn - 7. Nov, 01:45
einmal werde ich vergesslich sein
werde von der spur abkommen
lande im schnee
bei den mittagsaugenkirschen
sammle mein glück aus dem pfandflaschenatem
ihre schnellen augen
bewundern die stille mit der sie
mich begleitet
sie ist hungrig
ich mit tauben ohren ausgestattet
höre ihren gesang
frevelhaft
beschaulich
wir kürzen uns ab
begegnen uns niemals
kommen uns näher
in dem wir unsere namen
vorgehen lassen
Der Wasserhahn - 6. Nov, 21:33
sie läuft vergessend wer sie ist
über die dächer der besoffenen stadt
bürgertelefone sind besetzt
drahtzäune vor dem mund
gespräche nur noch über die bibel und
was gott dazu sagen würde
keine aufgeschlossene türe
wer vergessen hat wo er wohnt
wohnt nun nicht mehr
sie läuft wie eine gejagte dem abgrund hinterher
sie eilt hinauf
sie spricht mit den pfützen
sie erkennt von nahen
wie weit sarajevo
von gießen entfernt ist
gespräche die nur stattfinden
damit man mal darüber geredet hat
morgen gibt es suppe in der kneipe
zum max
aber der max hat die kneipe längst
aufgegeben
jemand ist wach
zündet drei kerzen an
jemand singt und
denkt
es ginge immer so weiter
Der Wasserhahn - 5. Nov, 09:22
manchmal träumen
die gänse
vom meer
manchmal
träumt das meer
die gänse
manchmal ist alles
so
wie
es nie war
manchmal geht ein
licht an
ohne
dass es nötig war
ohne dass es jemand
tun musste
fing es an
oder es endete
auf der stelle
überall dort
wo noch etwas war
wurde es begraben
es waren tolle zeiten
die welt dachte die gans
sei das meer
das meer streckte sich aus
doch es reichte nicht
Der Wasserhahn - 5. Nov, 06:07
es ist leicht ein gedicht zu schreiben
sich von ihm tragen zu lassen
im recht zu bleiben
auch in dem gedicht
nicht davon abzulassen das opfer zu sein
das opfer schreibt das gedicht
der täter rauscht davon
es ist immer die nächste narbe die zählt
die nächste wirklichkeit an die man nicht glaubt
es ist dieses unmögliche
das licht in der dunkelheit
der farbenfrohe gesang eines betrunkenen
es ist kein nebel im gedicht
nur der schatten eines rohbaues
es ist dieses ding irgendwie betroffen zu sein und
zu glauben man könnte es ändern mit einem gedicht
es ist dieser ort
diese zeit
dieser unmögliche zeitvertreib
es ist diese angst
woher kommt diese angst
ist es das gedicht?
Der Wasserhahn - 5. Nov, 00:13