17
Sep
2021

in der nacht träumte der nichtschwimmer

(4)

die schwimmer griffen ihn an
mit langen dolchen
durchsichtigen säbeln
mit messern die bis ans ende der welt reichten

sie drohten den nichtschwimmen
wir
vergessen euch
sie lachten
sie hatten eimerweise meerwasser dabei

flieht nicht riefen sie
es wird tief, hörte man sie schreien

wutentbrannt lag die stimmung am boden
es gab kein ringen und kein fragen mehr
die kanäle belogen sie
die umsicht verschwand

wer nun nicht mehr schwimmen konnte
lag in den seilen
träumte vom sand im getriebe
träumte den alten fiebertraum

zuerst hatte er den eindruck er müsste dulden
dann wehrte er sich und schließlich bekam er einen schreck
er war der boshafteste von allen im traum und
er konnte schwimmen

der bericht des schwimmers

(3)

er erinnerte sich, neulich bin ich weit rausgeschwommen
ich war traurig und wenn ich traurig bin
muss ich schwimmen
was tut der nichtschwimmer, dachte der
schwimmer, wenn er schwimmen muss, wenn
er schwimmen muss wenn er traurig ist oder
ist er nicht traurig, weil er ja nicht
schwimmen kann.
ist es besser etwas nicht zu können.
er zweifelte.
er sah zum mond, wenn er schwamm nahm er
den mond anders wahr, er war ihm näher
aber hatte er das ufer erreicht
war er weit und alt wie immer.
er verstand warum er nicht verstand, er
musste verstehen um zu verstehen, sonst
würde er es nicht begreifen, er musste es begreifen, es
war wichtig es zu begreifen.
es musste diese unterschiede geben. er der schwimmer begriff,
der nichtschwimmer begriff nicht.
das waren fakten, danach musste er leben, selbst wenn er
verschwand, selbst wenn er eines tages starb, musste er begreifen.
der tod macht uns alle zu nichtschwimmern, dachte er, er
erschrak, er wollte diesen satz nicht denken, er machte sich
vorwürfe, er war traurig, er schwamm in irgendeine richtung die
er wegblasen würde sobald er sie fand

der nichtschwimmer in der badewanne

(2)


es kam ihn verdächtig vor
dass die nässe
wenn sie richtig nass war
richtige nässe war

er tropfte gerne
er schnitt die augen ab
er sah zu seinem ewigen geschlechtsteil
er musste lachen

er dachte an das frühstück mit christine
sie war dichterin
sie dichtete
sie wollte die nacht fotografieren in der
alles verloren ging

sie hatte keinen fotoapperat
sie hatte nicht einmal lust fotos zu machen
ihre fotos passten in keinen rahmen
sie hieß christine
sie war dichterin

sie schwamm von einem ende zum anderen
sie empfing ihn mit rosenschleierduft
sie war nackt
nackt wie eine uniform

sie versteckte sich in ihrer nacktheit
daran dachte er
während er sei geschlechtsteil ansah
geschlechtsteil klingt komisch, dachte er und
lachte nicht mehr

Der Schwimmer und der Nichtschwimmer

(1)

die anderen rieten dem schwimmer ab
denk an das wasser sagten sie

sie schenkten ihm weichkäse
und schokolade mit pistaziengeruch

sie sammelten pfandflaschen für ihn
allein
es nutzte nichts

er ging zu ihm hinan

er wohnte in der nichtschwimmerstrasse
ganz unten
dort
wo ma wirklich nicht an das gewässer dachte
an den fluss
an das meer

hinter seinem fenster sah er gar nicht traurig aus
er konnte nichts sehen
nur dunkelheit
aber es kam ihn vor
wie eine tiefe helle dunkelheit

der schwimmer klingelte
der nichtschwimmer öffnete die türe
da bin ich rief der schwimmer
da bist du rief der nichtschwimmer

wusstest du dass ich eine tochter habe, sagte der nichtschwimmer
der schwimmer schüttelte den kopf
es gab keine töchterlichen nichtschwimmer
es gab gesetze und die waren klug
es gab nächte und die waren voller fakten

warum lernst du nicht schwimmen, fragte ihn der schwimmer erbost

du fängst wieder an, sagte der nichtschwimmer
ich lerne nicht schwimmen weil ich keine bewegungen
machen kann
würdest du es lieber sehen wenn ich es versuche und ertrinke

du ertrinkst nicht, sagte der schwimmer
er sah auf die geborgten getränke
auf die harten schalen einer kartoffel die auf dem boden lagen

er lachte kurz
dann sagte er
du hast es gut hier
was dir aber fehlt ist der blick für den nächsten

der nichtschwimmer schaute ihn fragend an
der schwimmer nickte, er sagte, hier, du liest
camus
ausgerechnet du
du kannst nicht schwimmen
aber du liest camus warum

ich mag ihn gerne lesen, sagte der nichtschwimmer
die dächer über ihnen rosteten langsam ein
irgendeine frau stand an der brücke
bald würde sie springen
aber da war der schwimmer schon vorbeigegangen

der schmerz

und dann, pflegte er zu sagen
dann kehrt der schmerz zurück
aber nie an dieselbe stelle

nein
er packt sich eine andere
er ist neugierig

es ist wie ein morgen der zufälle
du rutschst aus und fängst dir etwas ein

du schreitest an deinem ziemlich
kleinen balkon herum und starrst
in die andere wohnungen

oder
du fährst mit dem rad nach oben
dort wo du als kind so oft nach unten fuhrst

wie oft hattest du damals gedacht
ich muss nicht nach unten fahren
ich kann auch stehenbleiben

der morgen vergräbt alle gewesenen landschaften hinter sich
er bringt dir die nacht nicht mehr zurück in der dir die zahlen
vorkamen wie ein strenges gebäude
immer wenn du einlass forderst
sagten sie
die zahlen stimmen nicht mit dir überein

der preis

vielleicht dass ich zu tief in die ferne blickte
wasser und brot peitschten umher
ihre schreie lagen in der luft
am boden und sonstwo

wo
die nichtschwimmer nicht hinkamen
da tauchten die schwimmer auf
es war ein unendlicher kampf den
keiner begann

alle vergessenen wurden eingeschlossen
alle verlassenen standen herum
sahen sich an
die zeit wurde knapp

sie war nicht zu fassen und doch
erkannte man sie
man erkannte sie an den verlassenen
die man vergessen würde

würde man sie vergessen
lagen sie in unsicheren ketten
am strassenrand

das leben war weit
weiter als jener zug
jener zug von dem man nichts wusste
vor dem man floh
man floh immer ins ungewisse und hörte von dort
jenen zug
namen rufen

anders

jede nacht den selben traum
ich komme bei ihr an
wir küssen uns
fahren mit der strassenbahn zu ihr und
verteidigen unsere schritte nicht mehr
dabei hätte ich es anders tun müssen
schon auf der bahnfahrt
musste ich nicht so sitzen
so entgegen jeglicher richtungen
ich hätte die anwesenden mit spässen unterhalten sollen
wenn auch bloß im inneren
schliesslich hätte ich sie gesehen
wie sie am bahnsteig auf jemanden wartet
ich hätte aussteigen
zu ihr hin sollen
ihre mütze in eine andere richtung drehen und
dann wieder weg
das war meine aufgabe
das ist die aufgabe die ich habe
ich bin mützenherumdreher für frauen
ich beneide mich nicht um diese erkenntnis
sie kommt viel zu spät und es ist ja alles nutzlos
heute tragen die frauen keine mützen mehr und
wenn bestimmen die selbst die richtung
wohin sie sich drehen und hier meine ich
die mützen
die sie trug war leicht herumzudrehen
herumdrehen und wieder gehen
das wäre gut gewesen
ich hab es nicht getan und deshalb träume ich
jede nacht
ich irre durch die gegend und suche mützen die
ihr ähnlich sind
ich steige aus und wir umarmen uns
ich sage mir im traum
ich umarme nicht sie, sondern ihre mütze
aber nein
das ist gelogen
der traum hängt schief
er sucht eine betrachtung die mich erwachen lässt und
erst als ich daran denke
das wir uns nicht mehr begegnen
erinnere ich mich
dass es eigentlich ganz schön war
ohne uns

mehr als sprechen kann ich nicht

schon wieder ein gedicht, sagt er
er sitzt auf der bank
hinter ihm ein paar bäume die
den herbst einreisen lassen
einfach so
nur so, denkt er, schreib ich
ein gedicht nach dem anderen
ich könnte auch keines schreiben
es wäre dasselbe

schmutzige fenster in seinen sprechenden augen
etwas hallt wider
leistet widerstand
widerstand gegen was

man kriegt alles abgenommen

die drahtzäune sind wie fliessendes wasser
in diesen kopf angekommen
die wiesen vergessen
die nacht versäumen
von dunkelheiten träumen
von dem ewigen streit der rasenmäher

vom verlassen der gebeugten
bleiben immer nur die gebeugten übrig
was geht
wohin stehst du
warum erinnert er sich
er hat doch den faden verloren

hinter ihm staunen die bäume
die bank sitzt da und wartet
auf eine idee

die romanzen

ihre kerzen brannten
davon
sie lösten sich
entfernten sich

sie gingen zu
politischen
veranstaltungen
lernten sich trennen
gaben vor
sie erinnerten sich

sie lagen nebeneinander
in den geschichten
von den kindern am bahnhof zoo
waren sie die
die nicht vorkamen

sie brannten darauf
nicht mehr zu brennen
sich zu suchen und
sich niemals zu finden

sie lagen in den glaskugeln der wahrsager
sie suchten verwandte in den erinnerungen
sie kauften teppiche damit sie sich sagen konnten
wir haben uns einmal getroffen, weißt du noch

es war dienstags
die cafe waren nur für die überflüssigen
geschlossen und wir standen davor und
wollten hinein
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