vielleicht ist es so
dass man nichts vergessen kann
keine handlung
keine lippen die dich vermissen
im traum
im traum ist alles in bewegung
läuft alles verkehrtherum
da kommt erst die vernichtung und
dann die hoffnung
überall verschmiertes blut
vom jagen
vom gedichte auswendig können
vom hände falten
niemand versteht
niemand versteckt das verstehen weil man es nicht mehr findet
alles sehr bequem
die hände auseinander
die gespräche auseinander
die berührung
das meer
was wir vergessen ist an was wir uns erinnern
und an was erinnern wir uns
ein bitterböser morgen
eine flauschige bettdecke in der halbstarre
die wirklichkeit verkauft
die nacht
der vogel der die nacht immer anschaut
nichts anderes
immer nur eine
Der Wasserhahn - 8. Nov, 00:00
am bahnhof saß er
mit dem letzten fass bier im arm
ganz feste drückte er es gegen seine brust
er kam mir nicht betrunken
sondern eher leer
vor
er kam mir vor wie einer
der gerne mal etwas getrunken hätte und
diesen wunsch nur beim trinken erkannte
manchmal rief er etwas
es klang wie der name eines vogels oder
einer ameise von der er glaubte dass er sie gut kannte
er war ein demokrat
er glaubte gott sei auch einer
manchmal erzählte er mir seine träume
er träume er sei johanna von orleaon
ich sagte ihm
ich träume ständig ich sei goethe
ich sitze auf einem bügelbrett und
überlege
und ich ärgere mich auf die natürlichste weise
denn mir will einfach keine zeile einfallen
er betrachtet mich
eines tages
betrachtet er mich
ich weiß es
er sitzt jeden tag am bahnhof und wartete darauf
er trinkt aus dem fass
er trinkt geräuschlos
er scheint den himmel nicht zu mögen
denn er schaut kaum hin und wenn er doch einmal hinschaut
dann zornig
als hätte er ihm etwas genommen und
gäbe es nicht mehr her
Der Wasserhahn - 7. Nov, 01:45
einmal werde ich vergesslich sein
werde von der spur abkommen
lande im schnee
bei den mittagsaugenkirschen
sammle mein glück aus dem pfandflaschenatem
ihre schnellen augen
bewundern die stille mit der sie
mich begleitet
sie ist hungrig
ich mit tauben ohren ausgestattet
höre ihren gesang
frevelhaft
beschaulich
wir kürzen uns ab
begegnen uns niemals
kommen uns näher
in dem wir unsere namen
vorgehen lassen
Der Wasserhahn - 6. Nov, 21:33
sie läuft vergessend wer sie ist
über die dächer der besoffenen stadt
bürgertelefone sind besetzt
drahtzäune vor dem mund
gespräche nur noch über die bibel und
was gott dazu sagen würde
keine aufgeschlossene türe
wer vergessen hat wo er wohnt
wohnt nun nicht mehr
sie läuft wie eine gejagte dem abgrund hinterher
sie eilt hinauf
sie spricht mit den pfützen
sie erkennt von nahen
wie weit sarajevo
von gießen entfernt ist
gespräche die nur stattfinden
damit man mal darüber geredet hat
morgen gibt es suppe in der kneipe
zum max
aber der max hat die kneipe längst
aufgegeben
jemand ist wach
zündet drei kerzen an
jemand singt und
denkt
es ginge immer so weiter
Der Wasserhahn - 5. Nov, 09:22
manchmal träumen
die gänse
vom meer
manchmal
träumt das meer
die gänse
manchmal ist alles
so
wie
es nie war
manchmal geht ein
licht an
ohne
dass es nötig war
ohne dass es jemand
tun musste
fing es an
oder es endete
auf der stelle
überall dort
wo noch etwas war
wurde es begraben
es waren tolle zeiten
die welt dachte die gans
sei das meer
das meer streckte sich aus
doch es reichte nicht
Der Wasserhahn - 5. Nov, 06:07
es ist leicht ein gedicht zu schreiben
sich von ihm tragen zu lassen
im recht zu bleiben
auch in dem gedicht
nicht davon abzulassen das opfer zu sein
das opfer schreibt das gedicht
der täter rauscht davon
es ist immer die nächste narbe die zählt
die nächste wirklichkeit an die man nicht glaubt
es ist dieses unmögliche
das licht in der dunkelheit
der farbenfrohe gesang eines betrunkenen
es ist kein nebel im gedicht
nur der schatten eines rohbaues
es ist dieses ding irgendwie betroffen zu sein und
zu glauben man könnte es ändern mit einem gedicht
es ist dieser ort
diese zeit
dieser unmögliche zeitvertreib
es ist diese angst
woher kommt diese angst
ist es das gedicht?
Der Wasserhahn - 5. Nov, 00:13
hey julia, ruft romeo
vereinfachen wir die handlung
an was denkst du
ich denke an deine lippen und
dass sie schmecken wie alles ungesagte
was ist ungesagt
ungesagt ist dass über was wir
im schlaf sprechen
wir sprechen nicht im schlaf
nein, wir sprechen nicht
aber wir sagen uns was und das
kommt sogar ohne gesicht aus
ohne gesicht und ohne jede betrachtung
einfach nur so
als wären wir immer da
wir kämpfen gegen windmühlen
selbst wenn wir schweigen
hören wir die verzweiflung mit
der anna karenina zu uns spricht
sie spricht nicht
nein
aber sie ist eine landvermesserin die vergessen will
vergessen können wir gut
aber nur wenn wir uns ans vergessen erinnern
rauchende worte
dunkle buchstaben
die toten beginnen zu erwachen
sie erwachen wie die leute die am morgen
lippen berühren
schweig
ja ich schweig
was soll man auch sonst tun
es gibt verbindungen die bestehen
als hielte man für eine ganze ewigkeit den atem an
das tun sie doch gerne
sie fragen nicht mehr
nein
sie tun es einfach
julia, wir kratzen das glück
wir sammeln die augen auf
für jede betrachtung vergräbt der himmel
eine berührung
als könnte man das sagen
als könnte man einer berührung sagen
was sie ist
Der Wasserhahn - 4. Nov, 09:01
plötzlich ist das wort da
man dreht es lauter
man versündigt sich noch
die schreie lärmen
die stumm sind schweigen
man hört die träume
an den bushaltestellen verweilen
morgen, sagt er
werde ich ein dichter sein
schreie, als würde jemand
vergessen
tatjana schreibt einen brief
sie legt ihr herz hinein
er hört es tropfen
er hört ihr gesicht
ihr gesicht ist schöner
was meint er
wir erkennen ihn nicht
eugen onegin der bankangestellte
fragen sie ihn nach einen kredit
vielleicht bekommen sie was
Der Wasserhahn - 3. Nov, 01:49
gestern verschwand sie aus der türe
das teesieb in den händen
ein auge, dass ein anderes zählt
zahlen sind wie tränen
wenn sie uns erreichen tut es
uns schon wieder weh
gestern rannte die türe ihr hinterher
wie eine flüchtige sekunde
wie die nähe von der man nicht reden kann
wie der freiste satz
gesprochen von einer toten
gesprochen von einer dichterin
die nicht vergessen kann
solange nicht...
worte gleiten ab
sehen durch die nase
opfern viel nähe
sagen
dass was deutlich ist wird kaum
einer sagen
schweigen wir
morgen wird die vergangenheit beginnen
werden die türen nicht mehr wissen was
ankommen bedeuten kann
die abschiede umarmen sie und flüstern ihr zu
bleib doch noch ein bisschen
Der Wasserhahn - 2. Nov, 16:26
artmann gelesen
dann geschrieben
dann die fernsehzeitschrift
der taschenrechner
dann aus dem fenster
die nachbarin winkt
sie fällt aus dem rahmen
sie pfeift nach generälen die ohne blut auskommen
sie trägt einen schwarzen pulli
den pulli habe ich ihr zu meiner verlobung geschenkt
da erzählt artmann dass er aus seife menschen machen kann
nein
das erzählt er nicht
er sagt
wir sind brave ungeduldige mutlose
die tanzen wenn man es ihnen befiehlt
und was wenn man es ihnen nicht befiehlt
gestern lag ein zettel auf der treppe
ich dachte nicht daran ihn aufzuheben
ich wollte nicht
wenn der wille größer ist als der betrug
muss man sich immer für den willen entscheiden
selbst wenn der wille betrug ist und der
betrug wille
artmann war ein dichter
er lebte von großen und von kleinen sätzen
ich weiß es nicht
ich lese nicht
ich schaue mir gesichter an und falle hinein
Der Wasserhahn - 2. Nov, 10:00
flüstern
sie umarmen
die angst
in ihnen brennt
sie sehen
was nicht
vergessen
werden kann
eine alte frau flüstert
sie flüstert kein gebet
wie sollte sie ein gebet
flüstern
es war weit und breit
nicht die rede
von gebeten
als sie kamen und ihre
tochter und sie holten
die tochter brachten
sie mehrmals am tag um
sie nennen das
normal das im krieg
vergewaltigt wird
die steine erkennen daran
nichts normales
sie erkennen den zug
mit dem die irren durch
die abteile rasen
ihr mut hängt
von ihrer bewaffnung ab
es ist nichts dabei
jemanden zu töten sagen die steine
jemanden zu lieben
sagen sie
das ist die last
mit der wir leben
sagen die steine
sie sehen sie
sie wissen
es vergeht kein tag
an dem es nicht geschieht
jede vergewaltigung ist
krieg gegen die menschheit
jeden tag geschieht es
jeden morgen erwacht die
alte frau und flüstert den steinen
die namen zu
Der Wasserhahn - 1. Nov, 23:47
etwas war oder es geschah
gestern oder
im nächsten augenblick
leiden
er konnte das fenster nicht
öffnen
hätte sie gerne hinein geflüstert
mit dem lautesten flüstern der welt
jemand sagte
es gibt sie noch
die vergessenen nächte
die nächsten worte
das nächste verlassene gemeinsame
etwas war nah
platzte in den spiegel
flüsterte
alle tragen ihre namen davon
was spielt es für eine rolle
ob man vergebens darauf wartet
verlassen zu werden
leiden
jemand hört zu rufen auf
jemand irrt in die gesellschaftlichen mitte
für manche ist es zu oft
andere wieder erfinden phrasen damit
etwas dabei herausgefiltert wird
am morgen
die nacht
am morgen der fallende
der etwas erzählen will
alle tragen namen
sie flüstern sie sich nachts im traum
wenn ihr verlangen mehr als nur phrasen
wünscht
jemand kommt heim
jemand ist heimgekommen
jemand versucht jede nacht heimzukommen
Der Wasserhahn - 1. Nov, 23:39
der schlaf wächst zurück
das pferd nimmt ihn auf
träumt
es würde schlendern über
eine brücke
aus ihren augen kratzt es
den rest von sinnlichkeit
den pferde gerade noch nötig haben
da war viel rauch
doch er reichte nicht
da war viel sterben
aber man zählte nicht
die vielen die zu unrecht
starben
verdarben den schuldigen
den traum
das pferd stand hinter den
träumen
der traum änderte sich
jemand der eben noch vergessen
hatte
wie müde er war
war längst eingeschlafen
wenn er erwacht
wird er im gefängnis erwachen
er wird sich fragen stellen und
vergessen dass die fragen zu nichts taugen
das pferd ähnelt im traum den fragen
es vergräbt sie bevor es erwacht
es vergisst sie
bevor sie begreift
Der Wasserhahn - 1. Nov, 23:06
purzel erschrak
er hatte ein bild von lenin in
seine arme genommen
das fühlte sich dort
so weich an
wo es nicht
weich sein durfte
er stellte sich lenin
nackt vor
er stellte sich vor
wie marlene ihn in seinen spitzen bart biss
er stellte sich seine augen vor
er fragte sich was kerzenlicht bedeuten kann
in unserem jahrtausend
er fand das jahrtausend fad
ein uhrwerk ist nichts dagegen
alles kam ihm überflüssig vor
lenin fragte ihn
bin ich gezeichnet
er hatte sein kinn angehoben
mit den fingerspitzen
versöhnte sie sich mit seinem mund
dort ist der abgrund lachte sie
das dämmerlicht wurde live übertragen
jeder der kommentieren konnte
kommentierte
einer zog seine elektrischen geräte
zusammen
stapelte sie
so hing alles zusammen
lenin hätte beinah von der liebe
geredet
dick butterman goss sich noch whiskey ein und
als lenin fragte
ob er noch was will
nickte dick und sagte
bist ein kluger mann
alles war so lächerlich
als ginge es um nichts
der verhörer sprach unter
einer decke mit seinem pimmel
seinem pimmel ging es nicht gut
etwas war schief gegangen
die tänzerin saß in der kneipe und fror
sie dachte an das gebiss von herrn jäger
herr jäger war bodenlos
obdachlos
hoffnungslos lag er unter dem sarg
er verschwand nicht
er konnte nicht verschwinden
aber er roch an der zeit
er fragte sich
warum seine soldaten
immer tanzten
wenn er vom ende redete
hätte er vom abgrund geredet
sie hätten nur geredet
aber das ende ließ sie tanzen
ohne dass sie sich bewegten
wie fern alles dort lag
ganz nah beinander
wie nackt lenin war
so nackt konnte nur lenin sein, sagte der volksmund
hinter den treppenstufen standen ein paar gerissene giraffen
den zoo hatten sie hinter sich
sie versteckten sich nicht
sie versteckten ihre bildung
ika schwamm in der sonne
ihre nackheit gehörte nur ihr
sie floh wenn jemand begriff
dass es schlechte gitarrensolis gab
sie lag in den armen einer nacht
die umarmte ihn
so oft sie nur konnte
Der Wasserhahn - 1. Nov, 11:03